Teil 3: Das klimapolitische Selbstverständnis
Im Änderungsantrag zum Bebauungsplan war nicht nur die Rede von den vielen neuen Industrieansiedlungen und Arbeitsplätzen. Es wurde nämlich auch ganz tief in die begriffliche Moralkiste gegriffen:
Ich:
„Einwände der betroffenen Bürger aus der Region ließen sich dann ebenso wie jetzt mit Verweisen auf die „politisch gewollte Energiewende“ und „übergeordnete Ziele der Gesellschaft“ beiseite wischen. Im Amtsblatt ist sogar von einer „gesamtgesellschaftlich gewollten Energiewende“ die Rede. Es ist fraglich, wie viel Rückhalt diese Politik in der Gesellschaft wirklich hat und wahrscheinlich wird sich die Situation nach den nächsten Wahlen bereits anders darstellen. Einer Bundesregierung, die es nicht einmal schafft, ihren Haushalt verfassungskonform zu führen, ist jedenfalls auch energiepolitisch wenig Fachkompetenz zuzutrauen. Es ist bedauerlich mitzuerleben, wie der wirtschaftliche Wohlstand der deutschen Bevölkerung mutwillig verspielt wird, indem vorsätzlich eine grundlastfähige Energieversorgung zerstört wird. Immer mehr und immer größere Windkraft- und Solaranlagen sollen das auffangen, ohne dass das Speicherproblem gelöst ist. Während der Dunkelflauten muss dann Strom teuer importiert werden, und während der Spitzenertragszeiten werden Strafzahlungen für die Einleitung ins Netz fällig. Ein deutscher Irrweg, wie der Blick in viele unserer Nachbarstaaten zeigt. Wo bleibt hier die europäische Einigung, die uns doch immer als großer Vorteil gepredigt wird?“
Antwort G&G:
„Kein
Abwägungserfordernis
Es
ist unklar, um welche Betroffenheit es sich hier handeln soll.
Klimawandel,
Transformation und geopolitische Ereignisse treffen Wirtschaft,
Gesellschaft, Staat, Kommunen und somit jeden einzelnen Bürger. Der
Gesetzgeber hat die Erneuerbaren Energien als überragendes
öffentliches Interesse eingeordnet. Damit ist es eine
gesellschaftliche Aufgabe, die auf den verschiedenen Ebenen bewältigt
werden muss. Die Gemeinde Schipkau leistet ihren Beitrag zur
Klimaneutralität und somit zu Nachhaltigkeit. Solange
klimapolitisch, gesellschaftlich und wissenschaftlich nicht das
Gegenteil des eingeschlagenen Weges für zielführend erklärt wird,
hält die Gemeinde Schipkau an den klimapolitischen Zielen fest.“
Was hier fehlt, ist die Angabe welche Instanz über diesen Weg und gegebenenfalls über eine Umkehr entscheidet. Wahrscheinlich ist die Bundespolitik gemeint. Eine Gemeinde mit einem CDU-Bürgermeister argumentiert hier noch sturer „grün“ als das Bundeswirtschaftsministerium. Was für ein glücklicher Zufall, dass sich diese Argumentation doch so schön mit GICONs Interesse an unserer Kippenfläche deckt. Nennt sich sowas nicht inzwischen "Win-Win-Situation"?
Angesichts solche Aussagen kann sich auch niemand beschweren, dass bestimmte neuere Parteien in ihren Wahlkämpfen Kommunal-, Landes- und Bundesthemen vermischen. Man sieht ja, dass die Gemeindevertretung mit Verweis auf die Bundespolitik die Verantwortung von sich schieben will. Schipkau reiht sich ohne zu klagen in die klimapolitische Einheitsfront ein. Es wäre doch eigentlich ein Akt der Menschlichkeit und Sympathie, mal durchblicken zu lassen, dass man noch differenzieren kann, auch wenn man sich dem Druck von oben beugen muss. Selbst Zugbegleiter der Deutschen Bahn schaffen das mittlerweile gelegentlich.
Man wird das alles wohl auch bei der nächsten Bundestagswahl berücksichtigen müssen. Sollte sich tatsächlich einmal wieder eine Energiepolitik mit etwas Verstand durchsetzen, kann man wohl mit denselben Zeilen an die Gemeinde herantreten und ein Umsteuern einfordern. Ob wir vorher noch erfahren, ob der Bundeswirtschaftsminister beim Ausstieg aus der Kernenergie die deutsche Bevölkerung getäuscht hat? Immerhin hat sich ein Untersuchungsausschuss konstituiert, aber der untersucht wahrscheinlich ähnlich schnell wie die Ermittler die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines. Nun jedenfalls haben sich da G&G vielleicht nicht das beste Vorbild für ihre Argumentation ausgesucht.
Zurück in die Heimat: Ich schreibe an diesem Text am Sonnabend, dem 14.09.2024 um 17:15 und genieße dabei den Motorenlärm vom Lausitzring. Zur angestrebten Klimaneutralität der Gemeinde Schipkau denke ich mir meinen Teil.
Natürlich muss auch dem Eindruck entgegengewirkt werden, man hätte es bei uns mit Wind und Solar gegenüber anderen Gegenden etwas übertrieben:
„Weiterhin heißt es in den ausliegenden Unterlagen „Es liegt im gemeindlichen Interesse, aktiv die Entwicklung der Windenergie voranzutreiben.“ Warum? GICON sitzt in Dresden, welcher Anteil an Gewerbesteuern, Fördermitteln etc. bleibt in Schipkau? Wie sieht es mit den Netzentgelten aus, mit denen Bewohner in dünn besiedelten Gebieten mit einer hohen Anzahl an Windenergieanlagen und Solarfeldern überproportional belastet werden? Wird das für uns noch schlimmer? Schließlich müssten ja für die neuen Windräder neue Leitungskapazitäten geschaffen werden, um die Spitzenerträge zu bewältigen. Für die im zeitlichen Mittel dann viel geringere Leistung sind sie überdimensioniert, bezahlen darf es jedenfalls wieder der Stromkunde und Steuerzahler in Personalunion.“
„Kein
Abwägungserfordernis
Die
Gemeinde Schipkau sieht sich nicht überproportional belastet.
Vielmehr hat der frühzeitig eingeschlagene Weg dazu geführt, dass
Schipkau als Gemeinde auf Wachstumskurs liegt und die Kosten für die
Einwohner stabil und verlässlich sind und bleiben.“
Man fragt sich, ob die Gemeindevertreter mal ein aktuelles Luftbild gesehen und dies mit einer Gemeinde in Süddeutschland oder auch einer Stadt wie Dresden verglichen haben. Freilich kann es passieren, dass man sich eine kontrafaktische Meinung bildet, und das ist ja auch völlig legitim, wenn man als Volksvertreter nur seinem Gewissen verpflichtet ist. Aber was hier einmal mehr schmerzlich fehlt, ist die echte Meinung der ca. 6600 Schipkauer. Diese kennen wir ganz einfach nicht! Denn Volksbefragungen werden hier nicht durchgeführt, sondern die Drahtzieher der Windradprojekte denken sie sich einfach aus. Das geht einfacher und schneller und die Ergebnisse passen auch irgendwie etwas besser zum klimapolitischen Selbstverständnis.
Vielleicht will man auch den übergeordneten politischen Instanzen die Peinlichkeit ersparen, diese Projekte gegen den erklärten Willen der Bevölkerung durchzudrücken. Abschaffung der Kommunalklausel heißt das in Bayern.
Und wieder bin ich aus der Heimat abgeschweift, also wieder zurück. Ein Windrad ohne finanziellen Nutzen für die Gemeinde (siehe rbb-Beitrag vom 09.04.2024) soll also dazu führen, dass wir auf Wachstumskurs liegen. Aber was für ein Wachstumskurs? Ich erinnere mich an die Neujahrsansprache des Bürgermeisters in Hörlitz und die Haushaltsdiskussion in der Gemeindevertreterversammlung vom 22.02.2024. Dort war die Rede davon, dass die Rücklagen unserer Gemeinde in zwei Jahren aufgebraucht sind, und davon sind 8 Monate auch schon wieder um. Ist das normal, heute das eine und morgen das Gegenteil erzählt zu bekommen? Die Kosten bleiben stabil, das ist so sicher wie die Rente von Norbert Blüm. Und Netzentgelte* werden ja zum Glück nicht über die Gemeinde eingezogen.
Ein paar Lieblingswörter aus dem Bauplanänderungsantrag, die es sogar in unser Amtsblatt geschafft haben, sind „emissionsfrei“, „schadstofffrei“ usw. Hierzu gab es die Frage:
„Im Amtsblatt findet sich der bereits erwähnte Satz: „Eine direkte regionale Verwertung der aus erneuerbaren Quellen schadstofffrei erzeugten Elektroenergie ist vorgesehen.“ Zumindest der zweite Teil dieser Aussage ist irreführend, denn die Installation ist nicht schadstofffrei. Im ausgelegten Dokument findet sich die Angabe (unter „5. Änderungen“), dass der Flächenbedarf von 4800 m² vollversiegelter Grundfläche für eine jetzige Windenergieanlage auf 10500 m² für die Pilotanlage steigt. Über die nötige größere Tiefe des Fundamentes habe ich keine Informationen gefunden, ebenso wenig wie die spätere Beseitigung vonstatten gehen soll. Möglicherweise wird der Betonklotz auch einfach den kommenden Generationen aufgebürdet. Selbiges gilt sinngemäß für die Rotoren, deren Material möglicherweise als Sondermüll einzustufen ist. Anmerkungen zum Brandschutz fehlen ebenso. Nach den Erfahrungen mit Waldbränden in den letzten Jahren ist ein möglicher Störungsfall in einer solchen Anlage ein Risiko. Wer haftet im Schadensfall, bleibt es an den Bürgern hängen?“
mit der lapidaren Antwort von G&G:
„Kein
Abwägungserfordernis
Die
angesprochenen Punkte betreffen den Planvollzug, also die Errichtung
und den Betrieb der Anlage. Diese Belange werden vorhabenkonkret
durch die Fachbehörden geprüft und entsprechende Auflagen und
Nebenbestimmungen finden sich im Genehmigungsbescheid.“
Und warum teilt man mir der Einfachheit nicht mit, welche Auflagen und Nebenbestimmungen das sind? Wer sind die erwähnten Fachbehörden? Sind das ähnlich „ergebnisoffene“ Menschen wie unser Bundeswirtschaftsminister?
Es könnte natürlich sein, dass man die Entsorgung des Fundamentes und der Sondermüll-Rotorblätter einfach nicht weiter beachtet hat. Hier läuft doch alles schadstofffrei - und es geht doch ausschließlich um die Errichtung der Anlage. Nach uns die Sintflut!
Außerdem: Nicht nur Brücken können einstürzen.
Bevor es natürlich soweit kommt, bleiben immer noch die alltäglichen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bürger, wie Schlagschatten, Schallemission (ggf. Infraschall), nächtliche Flugbefeuerung usw. Für die zweite Auslage der Pläne hat man ja glücklicherweise Gutachter gefunden, die die nötigen Dokumente rechtzeitig beibringen konnten. Ich hatte nämlich selbst mal eine Rechnung zu Schlagschatten für die Zeit um die Wintersonnenwende für einen Standort in Klettwitz aufgemacht, und nun war es sehr interessant zu sehen, welche Wetterfaktoren angesetzt werde, damit es nicht zur Überschreitung der Grenzwerte kommt. Natürlich ist es unrealistisch, von wolkenlosem Wetter und strahlendem Sonnenschein über Wochen zu dieser Jahreszeit auszugehen. Aber immerhin besteht eine Chance auf Überschreitung der erlaubten Schattenwurfzeiten. Aber zum Glück kann den betroffenen Bürger damit geholfen werden, indem man ihnen mitteilt:
„Die Gutachten wurden behördlich geprüft und für schlüssig und nachvollziehbar eingestuft.“
Und unsere Nachbarn?
„In Kostebrau ist kein maßgeblicher Immissionsort zu verorten“
Also hoffen wir mal das Beste. Vielleicht am besten drücken es doch diese Zeilen vom rbb aus:
„Die
Bevölkerung ist eine Geräuschkulisse durch die Kohleförderung
gewöhnt. Die Windräder machen im Vergleich weniger Lärm.“
(Bericht
Sebastian Schiller, rbb24 Brandenburg aktuell, 09.04.2024,
https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2024/04/brandenburg-schikpau-300-meter-windrad-soll-kommen-windmessmast-test-energie.html)
Es soll gerüchteweise auch Kinder und jüngere Menschen bei uns geben, die die Bergbauzeit nicht mehr erleben konnten und leider vom kommunalpolitisch gewünschten Gewöhnungseffekt nicht profitieren können. Vielleicht kämpfen diese einmal für eine Heimat, die nicht immer zum Spielball von Spekulanten gemacht wird. Warum baut GICON das Windrad nicht bei sich in Dresden, wenn es so eine tolle Sache ist? Dann hätte man doch die beste Werbung vor der eigenen Haustür!
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*Ergänzung vom 20.09.2024: Laut Bericht der Lausitzer Rundschau zur Grundsteinlegung vom 19.09. verspricht Michael Kellner (Bündnis 90 / Die Grünen), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, eine Umlegung der Verteilnetzentgelte auf die gesamte Bundesrepublik. Das soll eine spürbare Entlastung der Brandenburger bewirken. Ich bleibe skeptisch. Welche Partei wollte gleich nochmal das Klimageld auszahlen?
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