Teil 4: Die Wissenschaft als Wunschkonzert

Über ein Jahr hat er uns begleitet, der Windmessmast auf der Hochkippe Klettwitz, ein kleines Stück nördlich abseits der Straße nach Kostebrau. Imposant wie eine Mittelwellensenderantenne stand er da und zeigte uns rund um die Uhr HD-Videos der Umgebung, inklusive der Gärten einiger Klettwitzer. Aber es waren auch imposante Regenbogenaufnahmen dabei und an seinem Fuß fanden sich kleine Betonskulpturen als Kunst am Bau, zumindest für eine Weile.

Als Hobbywetterbeobachter fand ich die Idee, mehr über den Wind in der Höhe zu lernen, natürlich spannend. Natürlich war schon klar, wer den Mast aufgestellt hat und wohin die Reise gehen soll, aber wissenschaftliche Neugier schafft es doch auch immer wieder, die Begleitumstände nicht so trist erscheinen zu lassen.

Also freute ich mich auf die Veröffentlichung der Ergebnisse, so wie es in der Wissenschaft üblich ist, in einer „begutachteten Zeitschrift“. Das bedeutet, dass andere Wissenschaftler, also Experten auf demselben Gebiet, aber mit den Autoren nicht institutionell verbandelt, das Manuskript vor der Veröffentlichung lesen und gegebenenfalls Korrekturen anmahnen. Dieser Prozess, auf englisch “peer review“ genannt, ist alles andere als perfekt, aber noch der beste Kompromiss in Sachen Qualitätssicherung, den die Naturwissenschaft zu bieten hat.

Wer über ein reguläres Forschungsförderungsprogramm Finanzierung aus Steuermitteln bekommt, ist normalerweise zu Veröffentlichungen der Forschungsergebnisse auf diesem Wege verpflichtet. Hier wird mittlerweile auch Wert darauf gelegt, dass die Veröffentlichungen von jedermann kostenfrei einsehbar sind (sog. “open access“, siehe gemeinsame Leitlinien von Bund und Ländern dazu).

Selbst wer als Privatperson forscht und in professionellen Kreisen ernstgenommen werden will, hat sich an das Prozedere des peer review zu halten (open access ist allerdings angesichts der hohen Kosten für den Autor ohne Fördertopf dann eher ein Luxus).

Aber wenn man zu den Ergebnissen des Windmessmastes recherchiert, findet man auf üblichem Wege – nichts! Natürlich sind hier keine allgemeinen Abrisse ohne Tiefgang in Sachen Datenanalyse gemeint.

Also muss man schlussfolgern, dass es hier nur darum ging, Geschäftsgeheimnisse für die Firma GICON per Steuermittelfinanzierung über die die „Durchreiche“ SPRIN-D zu generieren, also keine Wissenschaft im eigentlichen Sinn. Nun, das haben wenigstens alle deutschen Steuerzahler finanziert und nicht nur die Schipkauer. Immerhin war angekündigt, Ergebnisse beim Straßenfest Klettwitz/Kostebrau am 19.07.2024 zu präsentieren.

Ich war bei der Veranstaltung selbst leider nicht anwesend und kann nicht einschätzen, was genau dort präsentiert wurde. Schriftliche Fassungen der Präsentation habe ich leider auch keine gefunden.

Aber auch wenn es hier nicht um echte Wissenschaft geht, darf man Daten per Hörensagen zitieren? Schauen wir mal in das Amtsblatt für die Gemeinde Schipkau Nr. 5/2023 vom 28.10.2023:

„Laut der von der Wissenschaft anerkannten Erkenntnisse sowie der am Windmessmast Klettwitz ermittelten Messergebnisse herrschen in größeren Höhen stabilere Winde vor, wodurch mit einer Höhenwindenergieanlage mit einer derzeit geplanten Nabenhöhe von voraussichtlich über 200 Metern deutlich kontinuierlicher Energie gewonnen werden kann.“

(nochmals wortgleich wiederholt im Amtsblatt für die Gemeinde Schipkau Nr. 1/2024)

Ein problematischer Satz. Es ist in der Meteorologie durchaus lange bekannt und fast schon eine Binsenweisheit, dass es in größerer Höhe höhere Windgeschwindigkeiten gibt. Ob die Strömung auch (zeitlich) stabiler ist, kann man daraus zwar nicht unmittelbar schließen, aber die Annahme ist plausibel genug. Um dieses einfache qualitative Faktum zu recherchieren, hätte es keines Windmessmastes bedurft. Der Satz lässt übrigens interessanterweise völlig offen, ob die mit dem Messmast gewonnen Erkenntnisse selbst einen wissenschaftlichen Anspruch erheben oder nicht.

Bei meiner mündlichen Frage an die Gemeindevertreter am 22.02.2024 wurde mir gesagt, dass man von der Gemeinde Schipkau nicht dieselben Standards erwarten kann, wie von einem Forschungsinstitut, was das Erbringen von Quellen für getätigte Aussagen betrifft.

Auf dem Amt scheint wohl eine Zeitmaschine zu stehen, um sich Messwerte aus der Zukunft schicken zu lassen! Wenn „man“ (also der exklusive Kreis von G&G) schon im Herbst 2023 alle entscheidungsrelevanten Daten zusammen hatte, wieso stand dann der Mast noch ca. 8 Monate länger? Oder waren die Ergebnisse, auf die sich die erste Planauslage stützte, doch nicht so belastbar? Am Ende vielleicht sogar banaler und aus früheren Abschätzungen schon vorhersagbar? War alles nur ein großer Werbetrick?

Solange die mit Steuermittelfinanzierung gemessenen Daten unter Verschluss gehalten werden, werden wir es wohl nie erfahren. Aber dieses Vorgehen ist eigentlich schon Offenbarung genug.

Übrigens nannte die bunt ausgedruckte GICON-Werbepräsentation in der ersten Auslage des Bebauungsplanänderungsantrages einen Faktor 2 in der Ertragssteigerung. Herr Laguna de la Vera im ZDF hat das mal großzügig auf 3 aufgerundet, aber warum auch nicht, er ist ja bekennender Optimist. Nur mir tut es eben als Wissenschaftler in der Seele weh, wenn ohne jeden unabhängigen Beleg Erkenntnisse behauptet werden und ohne Sorgfalt an unterschiedlichen Stellen widersprüchliche Zahlen in die Welt gesetzt werden. Dann frage ich mich, wo das Gewissen unserer Bürgervertreter bleibt, hier in unserem Interesse klar und deutlich nachzufragen und auf die Veröffentlichung der Daten zu drängen!

Aber kommen wir lieber mal zum Lieblingsthema Klima. Nur welches – lokal oder global? Nun, ich wollte lokal beginnen. Zu den Auswirkungen von Windparks in ihrer Umgebung habe ich versucht, mir ein Bild vom Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu machen. Schaut man sich um, zitiert jede Echokammer ihre eigenen Lieblingsstudien. Gibt es irgendwo eine Zusammenstellung, einen Übersichtsartikel? Ich habe danach gesucht, und fand mehr Fragen als Antworten:

„Ich habe daraufhin nach weiteren und möglichst aktuellen Studien recherchiert. Man findet z.B. den Übersichtsartikel von A.D. Thess und P. Lengsfeld: “Side Effects of Wind Energy: Review of Three Topics - Status and Open Questions”, Sustainability 2022, 14, 16186. Dort werden offene Fragen formuliert, die nach Sicht der Autoren bisher nicht hinreichend wissenschaftlich beantwortet sind. U.a. heißt es in Abschnitt 3.3 (wiedergegeben in eigener Übersetzung): [usw.]“

„Kein Abwägungserfordernis
Was wird mit dem Aufwerfen von Fragen bezweckt, wenn keine Belege oder gar Fakten vorgelegt werden. Es werden lokale Effekte nicht ausgeschlossen. Die emissionsfreie Energiegewinnung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe dient gerade dem Erhalt des wirtschaftlichen und sozialen Wohlstands, ohne den Anteil klimarelevanter Gase in der Atmosphäre zusätzlich anzureichern. Ursache und Wirkung des anthropogenen Klimawandels sind wissenschaftlich unbestritten, einen Beitrag zu leisten, dem entgegenzuwirken hält die Gemeinde Schipkau für verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln.“

Und da ist er wieder, der ganz große ideologische Holzhammer des Weltklimas. Für eine Klimabilanzrechnung unseres „emissionsfreien“ Windrades (inklusive Waldabholzung, Materialaufwände, ungeklärte und ignorierte Fragen der Entsorgung, Stillstand durch Solarstromvorrang) würde sich die Gemeinde sicher wieder als nicht zuständig erklären, trotzdem darf argumentativ losgaloppiert werden, als wäre man niemanden mit solchen Aussagen Rechenschaft schuldig. Dem Projekt wird eine Klimarelevanz zugestanden, die es schlichtweg nicht hat. Um wieviel Hundertstel Kelvin (der Nichtphysiker darf hier gerne „Grad Celsius“ lesen) will denn die Gemeinde Schipkau die globale Mitteltemperatur durch ihren Beitrag absenken? Kann das bitte mal jemand aus der sogenannten „Zuordnungswissenschaft“ vorrechnen? Wahrscheinlich nicht, denn das Ergebnis passt nicht zur dort praktizierten Rosinenpickerei zur Erzeugung immer neuer panischer Anklagen mit wissenschaftlichem Anstrich an die deutsche Bevölkerung.

Die großen Emissionsquellen müssen angegangen werden, und nicht der global kleine deutsche Anteil noch in „zu leistende Beiträge“ auf kommunaler Ebene aufgeteilt werden. Verbindliche Abkommen mit Staaten wie den USA und China müssen geschlossen und eingehalten werden. Echter Klimaschutz ist vor allem eine diplomatische Aufgabe! Sinnlosigkeiten wie Kriege zu vermeiden oder zu beenden wäre auch mal eine gute Idee, leider haben aber selbst unsere Klimaideologen in der höheren Politik wenig Interesse daran und es werden weiter fleißig Waffen für Krisengebiete hergestellt und dorthin verschenkt. Gefüllte Gasleitungen werden gesprengt und das Thema wird im Nachgang möglichst klein gehalten. Neue Spielzeuge wie mehr Digitalisierung und künstliche Intelligenz müssen dem materiell begüterten Teil der Menschheit aufgedrückt werden, damit dieser sich nicht langweilt, oder gar noch selbst zu denken anfängt.

Aber nein, es ist ja Deutschland und vor allem Schipkau, wo das Klima gerettet wird. Man muss nur fest genug daran glauben (außerdem profitiert ja noch eine bestimmte Firma davon).

Also wieder zurück in die Heimat, G&G schreiben, lokale Effekte werden nicht ausgeschlossen (Satz von mir hervorgehoben). Wessen Interessen vertritt unser Gemeindeparlament nochmal, zumindest auf dem Papier? Wann wurde hier etwas gegeneinander abgewogen und öffentlich dokumentiert? Wird es bei uns durch das neue Windrad, oder spätestens mit seinen ca. 30 Geschwistern auf der Hochkippe, dann noch trockener?

Warum suche ich mir für meine Argumentation ausgerechnet eine Studie heraus, die keine Belege liefert und nur Fragen aufwirft. Ja, was bezwecke ich wohl damit?

Es geht darum, dass man die Erkenntnisse aus veröffentlichten Einzelstudien, die mitunter deutlich in bestimmte Richtungen zeigen (nur nicht immer in die gleichen) im nächsten Schritt einer Durchsicht und Einschätzung unterzieht, um den nötigen Überblick zu bekommen. Wenn daraus folgt, dass es in der Gesamtschau nach jetzigem Stand mehr Fragen als Antworten gibt, so bedeutet das einen moralischen Auftrag an die Wissenschaft, an diesem Thema weiterzuarbeiten. Steuermittel zur Forschungsförderung wären da sicher sinnvoller untergebracht als in einem Prestigeprojekt auf der Schipkauer Hochkippe. Wir wissen also nicht genug über die lokalklimatischen Auswirkungen von Windparks, von neuen Höhenwindrädern logischerweise sowieso noch nichts.

Aber fairerweise hätte die Gemeinde Schipkau ihren Bürgern mitteilen müssen, dass sie diese sehenden Auges mit ihren Ideen in ein lokalklimatisches Risiko laufen lässt. Und das kann man den gestellten Fragen eben schon entnehmen (hätte man den zitierten Übersichtsartikel gelesen und verstanden).

Letztes Jahr schrieb ich:

„Es wäre sehr zu wünschen, dass dieses dringliche Thema zeitnah und unvoreingenommen erforscht werden könnte. Vermutlich wird das nur im Ausland möglich sein, da eine Forschungsförderung hierfür unter den gegenwärtigen ideologiegetriebenen politischen Verhältnissen in Deutschland wohl kaum erfolgen wird.“

Und was hat man 2024 erleben dürfen? Mittlerweile ist es in Deutschland eine reale Gefahr für die Forschungsfinanzierung und Karriereplanung von Wissenschaftlern, sich mit Themen zu befassen, die einer wie auch immer herbeiphantasierten „Staatsräson“ zuwiderlaufen. Dass darüber hinaus die Bundes-Energiepolitik von Ideologie und nicht von Sachargumenten geprägt ist, wissen wir doch nun auch alle, auch wenn man sich mit dem finalen Schlusswort noch Zeit lässt.

Warum nur, warum, bleiben da so viele wissenschaftlich interessante Fragen in unserem Land unbeantwortet?

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