Teil 2: Das Schweigekartell

Kommen wir also mal zu dem Brief, der mich am 13.08.2024 erreicht hat. Ich bin schon ganz nervös: Endlich eine Antwort auf meine Eingabe vom 08.12.2023! Hat doch nur acht Monate gebraucht… Oder, um die Geschichte korrekt zu erzählen, Anfang März bekam ich nochmal eine Zwischenmeldung vom Bauamt, dass alles etwas dauern wird.

Aber nanu, der Brief kommt ja gar nicht von der Gemeinde, sondern von der Firma GICON? Darin heißt es

„Im Auftrag der Gemeinde Schipkau setzen wir Sie über die Beschlüsse in Kenntnis und übersenden Ihnen zu Ihrer Stellungnahme vom 23. Februar 2024 den Auszug des Abwägungsprotokolls. Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an
Gemeinde Schipkau - Amt 3…“
(Der Übersichtlichkeit halber werde ich alle Zitate aus dem Schreiben, die nicht mein eigener Text sind, in rot setzen. Eigener Text erscheint in grün.)

Ich war schon etwas ungehalten darüber, dass mir nicht die Gemeinde selbst antwortet, schließlich habe ich mich nicht an GICON gewandt. Aber ich habe nochmal im Email-Postfach gegraben, tatsächlich hieß es im März seitens des Bauamts:

„Zur Vorschau: Wie in solchen Planverfahren üblich, sichtet das damit beauftragte Planungsbüro (hier die GICON Großmann Ingenieur Consult GmbH) die eingegangenen Anregungen und ermittelt die Konsequenzen, die sich daraus für das Planverfahren bzw. das Vorhaben ergeben. Dieser Abwägungsvorgang wird sodann der Gemeindevertretung zur Prüfung und Beschlussfassung vorgelegt. Je nach Beschlussfassung erhalten dann diejenigen Personen, die Anregungen vorbrachten, das Ergebnis der Prüfung und Abwägung zugesandt.“

Also wurde ich gewarnt, aber es macht die Sache nicht besser. GICON schreibt die Antworten und die Gemeindevertreter dürfen nochmal drüberschauen. Ist das neutral? Wieviel Entscheidungsbefugnis haben denn unsere Amtsträger überhaupt noch in dieser Sache?

Ziemlich schizophren wird es gleich am Anfang. Ich habe gefragt:

„Das Amtsblatt 01/2024 führt aus, dass dieses innovative Vorhaben helfen wird, Arbeitsplätze in der Lausitz zu schaffen und zu sichern. Außerdem soll die Fertigung ein fester Bestandteil des Industriestandorts Lausitz werden. Meine Fragen: Um wieviel Arbeitsplätze geht es hier genau, wo sollen diese entstehen, wer garantiert dafür und übernimmt die Verantwortung, wenn das Vorhaben platzen sollte?“

Darauf erhielt ich folgende Antwort:

„Kein Abwägungserfordernis
Die Klärung dieser Fragestellungen erfolgt nicht im Bauleitverfahren. Diese sind, sollte es sich nicht um eine rein rhetorische Fragestellung handeln, direkt an die Vorhabenträgerin gestellt werden.“
(redaktioneller Hinweis: Die Wiedergabe erfolgt originalgetreu – Ob nun in einem Dresdner Büro oder einer Klettwitzer Amtsstube geschrieben: Sorgfalt in der Anwendung der deutschen Grammatik ist offensichtlich nicht die Vorzeigekompetenz des Schreibers.)

Huch, wer ist denn nun genau die „Vorhabenträgerin“, GICON oder die Gemeinde (naja, später wird es klar, erstere)? Völlig egal: Die Frage ging doch laut Aussage durch beide Hände, also hätte doch wenigstens eine der beiden Instanzen sich angesprochen fühlen müssen und mir inhaltlich antworten können?

Das soll wohl auf der Metaebene eine Botschaft an mich sein: Bürger, gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Wir sind uns längst einig, was wollen Sie noch stören?

Andererseits habe ich eben diese Frage auch mündlich bei der Gemeindevertreterversammlung am 22.02.2024 gestellt. Ich wurde vertröstet, ich solle die Frage nochmals per Email senden. Das habe ich getan, also geht es hier nicht nur um eine Stellungnahme im Bauleitverfahren, sondern auch um eine Bürgerfrage an meine demokratisch gewählten Vertreter. Eine Auskunft über die roten Zeilen hinaus gab es aber nicht.

Hier nochmal zur Erinnerung das Fernsehzitat:

Zum einen ist es die Transparenz, dem Bürger wirklich zeitnah alles offenzulegen, was man vorhat, und zum anderen ist es dann auch eine Teilhabe.“
(Bürgermeister Klaus Prietzel, CDU, im Bericht von Sebastian Schiller, rbb24 Brandenburg aktuell, 09.04.2024)

Lebe ich denn in einem Paralleluniversum?

Und wenn das Bauleitverfahren nicht die passende Bühne für meine Fragen ist... Wann wurde denn im Vorfeld offen und transparent über das Vorhaben mit den Bürgern diskutiert? Als Herr Laguna de la Vera seine 96% Zustimmung zusammengekratzt haben will?

Aber es geht ja noch weiter. Ich:

„Als weitere Frage: Welchen genauen Nutzen gibt es für die Bürger der Gemeinde Schipkau? Ich bitte um eine verbindliche quantitative Angabe.“

GICON und Gemeinde Schipkau (im weiteren „G&G“):

„Kein Abwägungserfordernis
Das Planverfahren wurde auf Antrag der Vorhabenträgerin eingeleitet, die ihr berechtigtes Interesse dargelegt hat.“

Und weiter:

„Bundes- und Landespolitik haben in den letzten Jahren das Vertrauen vieler Bürger nachhaltig und anscheinend absichtlich zerstört. Es ist für uns im Interesse einer freien und demokratischen Gesellschaft erforderlich, auch bei der Kommunalpolitik sehr genau hinzusehen. Zunächst wäre es hier für die Bürger interessant zu erfahren, welche Akteure hinter der Firma GICON stehen und wie deren Verflechtungen in Lobbygruppen aussehen.“

mit der Antwort:

„Kein Abwägungserfordernis
Das Bauleitplanverfahren wird durch die Gemeinde Schipkau gem. den eigenen Statuten und gem. der aktuellen Rechtslage durchgeführt. GICON hat einen Antrag auf Änderung des rechtswirksamen Bebauungsplans gestellt. Die Gemeinde Schipkau hat das Erfordernis erkannt und durch Beschluss das Verfahren eingeleitet. Da es sich beim Bauleitplanverfahren um ein sogenanntes offenes Verfahren handelt, ist es weder im Interesse noch im demokratischen Verständnis der Gemeinde Schipkau, eventuell vermutete Verflechtungen aufzudecken. Letztendlich erstellt die Gemeinde Schipkau ein Regularium für die Bodennutzung und wägt im gesamten Verfahren alle Belange gerecht gegeneinander und untereinander gem. den demokratischen Grundsätzen unseres Gemeinwohls ab.“

Am von mir fett hervorgehobenen Satz bin ich vom Verständnis her leider gescheitert. Weil das Verfahren offen ist und sich die Gemeinde Schipkau als demokratisch versteht, hat sie kein Interesse daran, uns über die Firma GICON und ihre Hintergründe zu informieren? Was will man mir damit mitteilen, außer einmal mehr: Hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie schnell weiter… aber ganz schnell!

Die Verantwortung der Gemeinde gegenüber den Interessen der Bürger wird nicht einmal erwähnt. Jeder Spekulant kann hier also die Gegend zubauen, berechtigtes Interesse im „regionalplanerischen Vorranggebiet Wind“ wird angemeldet, Einschränkungen wie die Höhengrenze von 200 m werden schnell gekippt, und los gehts. Und wenn es den Bürgern nichts nutzt, dann ist das auch egal.

Es sollte hier auch nicht übersehen werden, dass der jetzige Vorsitzende der Geschäftsleitung von GICON, Herr Jochen Großmann, im Oktober 2014 wegen Bestechlichkeit und Betrugs im Strafbefehlsverfahren im Zusammenhang mit dem Bau des Flughafens BER zu einem Jahr Haft auf Bewährung und Geldstrafe verurteilt wurde. Und da darf man nicht einmal einen Kommentar der Gemeindevertreter erwarten, mit was für Leuten man sich einlässt?

Wenn wirklich jemand noch nicht verstanden hat, warum viele Menschen in diesem Land mit der etablierten Politik nichts mehr anfangen können, sich enttäuscht abwenden und „Demokratie“ für eine entleerte Worthülse halten, dann möge er bitte auf dieses Musterbeispiel schauen.

Wollen wir zum Schluss nochmal ins beitragsfinanzierte Fernsehen reinhören?

„Das erste Pilotwindkraftwerk wird erstmal kein Geld in die Gemeinde spülen, ein zweites ist aber in Planung.“
(Bericht Sebastian Schiller, rbb24 Brandenburg aktuell, 09.04.2024)

Das sagen G&G also dem Fernsehen, aber nicht dem Bürger und Wähler direkt. Und statt Geld gibts dann eben ein zweites Windrad. Das spinnt dann bestimmt Wind zu Gold. Und falls nicht, bleibt uns ja immer noch das bundespolitische Klimageld, siehe Koalitionsvertrag. Oder?

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Ergänzung vom 20.09.2024: Laut Bericht in der Lausitzer Rundschau zur Grundsteinlegung vom 19.09. soll die Gemeinde Schipkau je erzeugter Kilowattstunde 0,2 Cent erhalten. Das steht natürlich im Widerspruch zu den Aussagen im rbb vom April und die Hintergründe werden wir wahrscheinlich auch nicht erfahren. Hat etwa doch jemand bei der Gemeinde Verhandlungsgeschick bewiesen? Ist es eine eher symbolische Menge? Pro Jahr wird mit einem Ertrag von „31.600 MW“ gerechnet. Also ich deute das mal in physikalischen Einheiten und mit dem Punkt als Tausendertrennzeichen als eine Energiemenge von 31600 MWh. 0,2 Cent/kWh sind 2 Euro je MWh. Macht im Jahr also 63200 Euro, rund 10 Euro pro Kopf. Ein fairer Preis?

Andererseits kann man ja mal auf die durchschnittliche Leistung runterrechnen. Ein Jahr hat ca. 8766 Stunden, also rechnet man im Schnitt mit 3,6 MW. Ausgelegt ist die Anlage auf eine Maximalleistung von 9,5 MW, die ab ca. 12,5 m/s Windgeschwindigkeit erreicht wird (das konnte ich den Unterlagen im Bauamt im November 2023 entnehmen). Das entspricht Windstärke 6. Zur Häufigkeit des Auftretens solcher Windgeschwindigkeiten in der fraglichen Höhe wären die Daten des Windmessmastes interessant, diese werden uns aber vorenthalten (siehe Teil 4). Jedenfalls rechnet man mit einer Quote von 38 % des maximal möglichen. Augenzeugen berichten, dass der jetzige Windpark bereits auffällig häufig stillsteht, insbesondere bei Sonnenschein (wenn der Solarstrom Vorfahrt im Netz bekommt), aber auch bei Bewölkung (vielleicht bekommt dann der Solarstrom aus anderen Regionen, in denen die Sonne scheint, Priorität im Netz). Sollte das Höhenwindrad jemals fertiggestellt und in Betrieb genommen werden, wird sich ja zeigen, was wirklich in der Gemeindekasse ankommt. Haushaltsdaten lassen sich ja nicht so einfach unter Verschluss halten.


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