Teil 1: Was ist bis jetzt passiert?

1999 wurde auf der Hochkippe des ehemaligen Tagebaus Klettwitz-Nord der erste Windpark erreichtet. 2014/15 wurden die Anlagen modernisiert („Repowering“) und 2017 weitere errichtet. Damals gab es viele interessante Ideen zur lokalen Verwertung des erzeugten Stroms. Daraus ist nichts geworden, aber die Erinnerung an nicht eingelöste Versprechen bleibt. Was es tatsächlich noch gibt, ist ein „Bürgerstrommodell“. Nur geht es dabei gar nicht um den erzeugten Strom, sondern um eine pauschale Zahlung von derzeit 80 Euro alle zwei Jahre pro Bürger, die bei der Gemeinde per Formular jedes Mal neu und natürlich fristgerecht beantragt werden muss.

Im Frühjahr 2023 wurde dann ein Windmessmast auf der Klettwitzer Hochkippe errichtet, der in Vorbereitung der Pilotanlage Windgeschwindigkeiten in bis zu 300 m Höhe messen sollte. Dieser wurde im Sommer 2024 zurückgebaut. Die Errichtung erfolgte durch die Firma GICON®-Großmann Ingenieur Consult GmbH aus Dresden, die Finanzierung aus Steuermitteln über die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D) und ihr Tochterunternehmen beventum GmbH.

Vom 07.11-08.12. wurden die Unterlagen zu der von der Firma GICON beantragten Bebauungsplanänderung zwecks Errichtung der Höhenwindrad-Pilotanlage erstmals im Bauamt der Gemeinde Schipkau im Ortsteil Klettwitz zur persönlichen Einsichtnahme durch interessierte Bürger ausgelegt. Anstelle amtlicher Gutachten zu Schlagschatten und Schallemission fanden sich darin ausgedruckte Präsentationen der Firma GICON, die auf mich den Eindruck von Werbeschriften machten. Dazu habe ich eine kritische Stellungnahme eingereicht.

Unterdessen trat der Direktor der Bundesagentur SPRIN-D, Herr Rafael Laguna de la Vera, in der Sendung „Markus Lanz“ am 19.12.2023 im ZDF auf. Dabei behauptete er u.a.:

1) Der Antragsteller (also GICON) hätte zusammen mit dem Bürgermeister unserer Gemeinde (Herrn Klaus Prietzel, CDU) eine „BürgerInnenbefragung“ durchgeführt, bei der sich innerhalb von zwei Wochen 96 % der Befragten für das Höhenwindrad ausgesprochen haben. Dies ist nachweislich frei erfunden.

2) die Bürger der Gemeinde Schipkau erhalten pro Monat jeder 60 Euro, was zur Akzeptanz der Windenergieanlagen beigetragen haben soll. Tatsächlich sind es über das erwähnte Bürgerstrommodell 3,33 Euro im Monat. Die Gemeindevertretung wurde daraufhin plötzlich sehr fleißig darin, die finanziellen Wohltaten der Windparkbetreiber bei der Beschaffung von Feuerwehrautos, der Straßenreparatur bis hin zur gleichgebliebenen Hundesteuer hervorzuheben.

3) Der Standort der geplanten Pilotanlage liegt auch keinesfalls wie behauptet „am offenen Tagebaurand“ - der Tagebau ist an dieser Stelle vor Jahrzehnten durchgezogen, es handelt sich um eine rekultivierte Fläche – bis letztes Jahr noch mit Wald. Aber der musste ja weg.

Nach Beschwerden gab es dann eine etwas halbherzige Entschuldigung von beventum an die Gemeinde. Ob das ZDF jemals eine Richtigstellung gesendet hat, weiß ich nicht. Ausgedachte Volksbefragungen erhöhen jedenfalls nicht die Glaubwürdigkeit des Akteurs „SPRIN-D“ in dieser Angelegenheit. Und die Schipkauer gelten in der Fernsehrepublik weiter als unkritische Windradbejubler und Vorbild für andere Regionen - wie peinlich! 

Aufgrund der offensichtlichen Mängel wurde dann vom 22.01. bis 23.02.2024 eine zweite Auslage der beantragten Bebauungsplanänderung vorgenommen, dieses Mal mit der Möglichkeit der Einsicht per Internet. Ich habe in diesem Zusammenhang zusätzlich zu meiner bestehenden Stellungnahme nochmals schriftlich nach dem konkreten Nutzen für die Gemeinde Schipkau gefragt, was als weitere Stellungnahme zu Protokoll genommen wurde

Am 09.04.2024 erschien ein Beitrag im Fernsehen bei rbb24 Brandenburg aktuell, begleitet von einem Text auf deren Internetseite. Während im Video noch von wenigen Gegenstimmen die Rede ist, so sind es im Text plötzlich sogar überhaupt keine mehr. Man hat dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon von verschiedener Seite mangelnde Neutralität vorgeworfen, und dieses Beispiel zeigt klar, dass da etwas dran ist. Ich habe um Korrektur gebeten, die unwahre Aussage steht aber bis heute unkommentiert unter dem angegebenen Link. Die Liste vertrauenswürdiger Mitspieler in dieser Problematik wird also zusehends kürzer.

Anfang August erreichte mich dann aber doch die Email eines rbb-Journalisten, der die Frage nochmal angehen wollte. Da wusste ich noch nicht, dass über die Stellungnahmen tatsächlich beraten worden war, und es nun einen Termin für die Grundsteinlegung gibt. Das Ergebnis erreichte mich dann per Brief am 13.08.2024, und es ist tatsächlich eine sehr aufschlussreiche Lektüre. Natürlich wurden alle Einwände abgeschmettert, das war nicht anders zu erwarten.

Nun soll es also am 19.09. tatsächlich zur Grundsteinlegung kommen, unmittelbar vor den Brandenburger Landtagswahlen.

Übrigens waren es nur 7 Eingaben von Bürgern, aus einer Gemeinde von 6600 Köpfen. Man hat dieses überwiegende Schweigen gerne als Zustimmung gedeutet. Meine Gespräche vor Ort haben mir ein ganz anderes Bild offenbart. Unsere Leute hier haben sich meist schon ins Private zurückgezogen und befassen sich nicht mit abstrakter Politik. Viele werden sich nicht mit Bebauungsplan-Änderungsanträgen in bestem Amtsdeutsch im Amtsblatt auseinandersetzen wollen, oder gar einen Tag Urlaub nehmen, um in dieser Angelegenheit aufs Bauamt zu gehen. Natürlich ist damit zu rechnen, dass sich der Wind sprichwörtlich drehen wird, wenn mehr und mehr sichtbar wird, was man uns hier vor die Nase setzen will.

Dann wäre es doch schön, wenn man Herrn Laguna de la Veras Märchenerzählungen wahr werden lässt und tatsächlich eine Volksabstimmung abhält! Hören wir doch nochmal auf die Stimme aus dem  Fernseher:

„Zum einen ist es die Transparenz, dem Bürger wirklich zeitnah alles offenzulegen, was man vorhat, und zum anderen ist es dann auch eine Teilhabe.“
(Bürgermeister Klaus Prietzel, CDU, im Bericht von Sebastian Schiller, rbb24 Brandenburg aktuell, 09.04.2024)

Beide Dinge, Transparenz wie auch Teilhabe (im Sinne eines zumindest finanziellen Nutzens für die Schipkauer Bürger, denn von lokaler Stromnutzung wagen wir gar nicht erst zu träumen), werden in den weiteren Beiträgen hier eine wichtige Rolle spielen.

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